Essay Monatshygiene     



Im folgenden Essay laden wir Sie ein auf eine Zeitreise durch die Geschichte der Monatshygiene. Wir stellen darin einige, vielleicht weniger bekannte Impressionen zum Thema vor. Wir vergleichen Hygieneartikel gestern und heute, erzählen vom Umgang mit der Blutung hier und anderswo, stellen alte Zöpfe neuen Zwängen gegenüber und schliessen den Bogen mit einem neuen und selbstbewussten Zugang zu den Vorgängen des eigenen Körpers, wie ihn viele Frauen der Gegenwart leben.


Als wir mit unseren Recherchen zum Thema Menstruation, der Geschichte der Hygiene und der Entwicklung der jeweiligen Hilfsmittel begannen, stiessen wir zuerst einmal auf den wundersamen Umstand, dass das Thema nicht oder nur kaum in der Geschichte existiert.

In Frauen- Sexualkunde- oder den Familienratgebern der Vorkriegszeit wird die Menstruation und der Umgang mit ihr kaum je erwähnt, es sei denn deren Ausbleiben als Zeichen einer möglichen Schwangerschaft.

 

Allerhand Männerphantasien

Dafür referierten die Herren Doktoren in noch nicht allzu ferner Vergangenheit gerne seitenlang und mit offensichtlichem Genuss über die „Entwicklung der Keime und Triebe beim Mädchen“, die „Geschlechtsempfindungen bei Jungfrauen“ oder die „Geschlechtsdrüsen von Matronen“. Allerlei über verkorkste Männerphantasien lässt sich da erfahren - nur nichts über die wahren Zusammenhänge des weiblichen Organismus, geschweige denn, den Umgang und die Gebräuche während der Menstruation. So scheinen alle diese Mädchen, Jungfrauen und Matronen, die immerhin unsere Urmütter sind, ohne Menstruation ihr Dasein gefristet zu haben.
 


Lästige Störung

Und - wir wundern uns immer mehr - eine kollektive Menstruationsangst scheint diesem Thema, wenige Aus- nahmen ausgenommen, bis heute anzuhaften. Dies hat bewirkt, dass die menstruierenden Frauen im Laufe der Geschichte mehr und mehr isoliert und ausgeschlossen wurden.

Gab es vormals für die Frauen noch Menstruationshäuser als Orte der Kraft, in denen sie gemeinsame Feste und Rituale feierten, geht die Einstellung zur Menstruation heute dahin, diese lästige monatliche Störung möglichst radikal zu unterdrücken.

 


Unpässlichkeit gestern - Angepasstheit heute

So wurden in unseren Breitengraden unsere Gross- oder Urgrossmütter während ihrer „Unpässlichkeit“ noch aus dem gesellschaftlichen Leben verbannt, weil die Menstruation als körperliche Qual galt, die mit hochgradiger Nervenanspannung und Schüben von Unzurechnungsfähigkeit einhergehe. Die Frauen sollten sich während der Menstruation möglichst ruhig verhalten und zu Hause bleiben.

Heute sieht das ganz anders aus, das Blatt hat sich gewendet - radikal! Der Pharmaindustrie und den Hygiene- konzernen sei es gedankt: Die moderne weibliche Arbeitskraft von heute soll auf keinen Fall zu Hause bleiben! Sie soll, bitte sehr, tagein tagaus störungsfrei durchdienen - geruchlos, blutlos, keimfrei und möglichst blütenweiss - optisch aufgehellt zwischen den Beinen. Das alles klaglos lächelnd, immer heiter und frisch - an die Maschinen ihres Arbeitsplatzes angedockt und ganz losgelöst - von sich selber.

Doch zurück zu den Anfängen der modernen Monatshygiene. Von den wenigen Hinweisen zum Umgang mit der Menstruation und den entsprechenden hygienischen Artikeln, auf die wir schliesslich doch gestossen sind, und aus persönlichen Erzählungen von Frauen, hier nun eine Auswahl:

 

Stofflappen und Leibgürtel

Noch bis ins auslaufende 19. Jahrhundert hinein war das Tragen von Unterhosen in unserer Kultur nicht allgemein üblich. Die Frauen fingen das Blut in zusammengenähten Stofflappen auf, die sie an einem Leibgürtel befestigten oder sie liessen das Blut einfach fliessen. Besonders im Baock, als Wasser als Krankheitsüberträger galt, litten Frauen oft an schmerzhaften Abszessen und Ausschlägen an den Beinen und im Genitalbereich. Gefördert wurde das Ganze durch die mangelhafte Hygiene und schwitzen unter den weiten Röcken, wo Flöhe, Wanzen und Läuse, die sich in dem feuchtwarmen Milieu wohl fühlten, noch das ihre beitrugen.
Später erschienen in Ratgebern für die Frauen bebilderte Anleitungen zum Falten von Monatsbinden. Dieses Verfahren war umständlich und kompliziert, die Binden wurden an Schnüren befestigt und um die Taille gebunden, was nicht sehr bequem gewesen sein dürfte. Um 1900 tauchten die ersten Wegwerfbinden auf, die durch horrende Preise nur für eine Minderheit erschwinglich waren. Die meistverbreitete Monatshygiene bestand indes aus gehäkelten oder gestrickten Baumwollbinden, und bei den ärmeren Bevölkerungsschichten bestand sie nach wie vor aus selbstgenähten Binden aus Lappen und Lumpen. Dazu im Folgenden ein Auszug aus einem Werk der dänischen Autorin Ilse Haugaard. Die Erzählung spielt in einem Waisenhaus in Kopenhagen um 1957(!), wo sich seit Beginn des Jahrhunderts nichts geändert hatte:

 

Sechs Binden reichen wohl...

„Nur die Grossen mussten mit Unterhosen schlafen und erst vor kurzem hatte Lise herausgefunden, warum, und jetzt wusste sie auch, was die Eimer mit dem fauligen, stinkenden Wasser im Keller enthielten.

„Hygienische Binden“, sagte Krana. In regelmässigen Abständen sass Niller an der Nähmaschine vor dem Esszimmerfenster. Sie nähte schichtweise längliche Stoffstücke aneinander, die aus alten Hemden und Unterhosen zurechtgeschnitten waren, so dass ein dickes, ziegelsteinartiges Etwas entstand. Dann nähte sie noch ein Band an jedes Ende, damit die Binde am Hosengummi befestigt werden konnte, das die Mädchen um den Bauch trugen. Ganz zum Schluss mussten sie ihre Anfangsbuchstaben mit roten Kettstichen hineinsticken. Jede bekam sechs Binden, das reichte ja wohl für eine Periode... Gebrauchte Binden wurden im Keller in einem Eimer mit kaltem Wasser eingeweicht, und da lagen sie dann, zusammen mit den anderen, die nach und nach dazukamen - eine pro Tag - und stanken immer schlimmer, weil das Wasser nie gewechselt wurde... Nachher flatterten die fleckigen Monatsbinden in Reih und Glied an der Wäscheleine im Garten und die roten Kettenstiche verrieten erbarmungslos, wer die Besitzerin war.“

Interessante Flecken

Ähnliches beschreibt auch folgender Auszug aus „Drachenzeit“ von Luisa Francia:

„Einmal im Monat steht im Bad ein alter Emailletopf, in dem weisse Lappen schwimmen, die rote Flecken haben. Die Flüssigkeit ist rotbraun. Riecht. Die Stoffbinden werden eingeweicht, gewaschen und kommen dann nie ganz sauber, mit braunen interessanten Flecken und etwas dunkleren Rändern in ein besonderes Fach im Bad.“
Hierzu muss eingefügt werden, dass unsere eingeweichten Stoffbinden nicht riechen. Wir empfehlen das Wasser regelmässig zu wechseln, zudem wirkt ein Schuss Essig im Einweichwasser antiseptisch.

Erfahrungen aus anderen Kulturen

Doch wie sah und sieht es in anderen Kulturen aus? Wie gehen Frauen fernab der modernen Zivilisation mit ihrer Monatshygiene um? Hier einige Eindrücke rund um den Globus:

Die Frauen mancher Kulturen verwenden zum Auffangen des Blutes noch heute, was sich ihnen aus der Natur am besten anbietet, seien es Blätter, Grasbüschel, Moos oder Meeresschwämme. Haben sie Zugang zu Zivilisationsprodukten benutzen sie auch anderes saugfähiges Material wie Tücher und Lappen, Reis- und Toilettenpapier, Taschentücher oder Watte.



Mit Luftsprüngen die Scheide auslüften

Die Tuaregfrauen im abgelegenen Tassiligebirge Afrikas menstruieren noch heute ohne Watte oder Binden zu benutzen. Sie sondern sich, ähnlich den Indianerfrauen Südamerikas, zu Beginn der Menstruation von der Familie ab und hocken sich über ein Erdloch, wo sie den ersten Blutfluss auslaufen lassen. Anschliessend spannen sie die Muskeln an und haben so während der ganzen Menstruation Phasen, in denen sie nicht bluten. Wenn gelegentlich doch etwas Blut tropft, stellen sie einfach die Beine breit oder sie machen Luftsprünge und andere Bewegungen um ihre Scheide auszulüften. So kommt jederzeit Luft an ihre Vagina, wodurch kein Verwesungsgeruch entstehen kann.


Rückzugsorte

Bei vielen Indianerstämmen Südamerikas ziehen sich die menstruierenden Frauen in eine enge Hütte zurück, wo sie sich über bestimmte Blätter hocken und ihr Blut dort auspressen. Anschliessend werden diese Blätter verbrannt und an einem vom Dorf entfernten Ort vergraben.

Beim Stamm der Samo in Obervolta sitzen die menstruierenden Frauen während ihrer Blutung den ganzen Tag über auf dem Boden, erst abends stehen sie auf und waschen sich.

Und die Frauen eines Indiostammes an der Grenze zwischen Peru und Brasilien verbringen während ihrer Blutung fast den ganzen Tag im Fluss.


Grasröcke und Sarongs

Die Ureinwohnerinnen Australiens und Ecuadors tragen Grasröcke, die sie während der Menstruation einfach zwischen den Beinen hochschlagen und im Rockbund feststecken.

In Thailand und Indien, wo die Frauen Sarongs tragen, hat sich eine ähnliche Methode entwickelt - sie raffen den Stoff immer wieder neu, um die Flecken in den Falten zu verbergen, bis er gewa
schen wird.


Gaze und Watte

Und in der früheren Sowjetunion schliesslich, als die Ressourcen noch limitiert waren, deckten sich die Frauen auf dem Markt mit den nötigen Hilfsmitteln für ihre Periode ein. Für wenig Geld konnte man dicke Wattepacken kaufen und Gazestoff, von denen es immer genügend gab, und woraus sich die Frauen ihre Binden dann selber zusammenstellten.


Berührungsängste

In Japan schliesslich benutzen viele Frauen beim Einführen eines Tampons Einweghandschuhe, um nicht mit ihrem Blut in Berührung zu kommen. Zudem werden auf dem asiatischen Markt Binden mit speziell geräuscharm zu öffnenden Einzelverpackungen angeboten, damit die Benutzerin der Nachbartoilette nicht am Knistern und Rascheln beim Öffnen der Binde erkennt, dass ihre Nachbarin menstruiert.

Selbstbestimmt und liebevoll

Wie sieht denn aber die Situation der modernen in Berufs- und Familienalltag eingespannten Frau von heute aus?

Viele Frauen haben mittlerweile zu einem selbstbewussten und liebevollen Zugang zu ihrem Körper gefunden; sie wissen, was in ihren Organen vor sich geht und sie sehen es als selbstverständlich an, aus den vielen Möglichkeiten, die sich ihnen zur Monatshygiene bieten, die für sie passende auszuwählen.


Mit den waschbaren Stoffbinden bietet Purpurtage jenen Frauen eine Alternative zu herkömmlichen Produkten, die auf einen schonenden und eigenbestimmten Umgang mit ihrem Körper und den Ressourcen Wert legen oder aus gesundheitlichen Gründen darauf angewiesen sind. Darüber hinaus bieten Schwämmchen und Menstruationstassen ebenfalls kluge und gesunde Alternativen.


Quellen:

Das Sexualleben der Frauen, von Dr. med. Heinz Zikel Von Sittenstrenge und Aufbegehren von Gabriele Haefs/ Klaus Gille Drachenzeit von Luisa Francia

Das Schwarzmondtabu von Jutta Voss Püschel 1988, 142f vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Menstruation